Holunder

  • Sambucus nigra
  • Schwarzer Holunder, Holler, Holder, Deutscher Flieder
  • (Fam. Caprifoliaceae, Geißblattgewächse)
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Kräuterbeschreibung

Die Zweige des meist 3-5 m und gelegentlich auch baumartig bis 7 m hoch wachsenden Holunderstrauchs enthalten reinweißes Mark. Er besitzt 5-zählige (seltener auch 3 oder 7-zählige), am Rand gesägte Fiederblätter mit eiförmigen oder elliptischen Teilblättchen. Im Juni / Juli erscheinen kleine weiße und stark duftende Blüten mit gelben Staubblättern auf einer am Grunde verwachsenen Krone, die in flachen, bis 15 cm breiten Trugdolden zusammenstehen. Aus diesen entwickeln sich im September und Oktober überhängende Fruchtstände mit beerenartigen, schwarzvioletten Steinfrüchten, die eiförmige Samen und roten Saft enthalten.

Verwandte Kräuter

Gleichfalls zur Gattung Sambucus gehört der meist strauchförmige, bis 4 m hohe Trauben-Holunder (Roter Holunder, Berg-Holunder, S. racemosa), dessen Blüten (April / Mai) ebenso wie der Schwarze Holunder gelbe Staubbeutel besitzen, jedoch in eiförmigen, 5 bis 10 cm großen Rispen zusammenstehen. Das Mark der Zweige ist nicht reinweiß, sondern gelb bis hellbraun. Seine scharlachroten Früchte (Juli-September) und vor allem die darin befindlichen Samen sind schwach giftig.

Eine weitere Sambucus-Art in Mitteleuropa ist der krautige und widerlich stinkende Zwerg-Holunder (Attich, s. ebulus, 0,5-2 m hoch) mit 5-13 gesägten Fiedern und einem aufrechten bis abstehenden, stark duftenden, trugdoldigen Blütenstand (bis 16 cm; Juni / Juli); Blüten mit roten (am Ende der Blütezeit schwarzen) Staubbeuteln. Giftig – auch für viele Tiere (z. B. Pferde) – ist die ganze Pflanze einschließlich der reifen schwarzen Früchte (August / September).
Volkstümlich dienten beide Arten auch zu Heilzwecken: S. racemosa als Abführ- und Brechmittel, S. ebulus als schweiß- und harntreibendes Mittel.

In Europa stellenweise angepflanzt wird der in Nordamerika beheimatete Kanadische Holunder (S. canadensis), dessen Blüten und Blätter ebenfalls als Heilmittel Verwendung finden.

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Schwarzer Holunder (S. nigra) ist heimisch in fast ganz Europa und im westlichen Asien: Dänemark bis Mittelitalien, mittlere Iberische Halbinsel bis Litauen, Ukraine, Schwarzes und Kaspisches Meer, Küsten des Marmara- und Ägäischen Meeres.
Roter Holunder (S. racemosa) kommt in Europa, Nordasien und Nordamerika vor. Zwergholunder (S. ebulus) wächst in Mittel- und Südeuropa wie auch in den Ländern Westasiens.

Standort

In Mitteleuropa zählt S. nigra zu den häufigsten Sträuchern und wird in Parkanlagen, Gärten und Hecken angepflanzt. Sein natürlicher Standort sind feuchte, stickstoff- und kalkhaltige Böden in Auwäldern, Waldlichtungen und an Waldrändern und Bachläufen auch in montanen Gebieten (bis 1.600 m).
S. racemosa ist in Misch- und Bergwäldern (bis 1.900 m), Hecken und Unterholz verbreitet und meidet kalkhaltige Böden. S. ebulus findet man auf frischen, nährstoffreichen und meist kalkhaltigen, lehmigen Böden z. B. an Waldrändern und Wegen (bis 1.300 m).

Kultivierung

Holunder wird vor allem für Anpflanzungen in Parks, Hecken und Gartenanlagen kultiviert, aber auch für medizinische Zwecke angebaut.
Die vollständig aufgeblühten Dolden werden abgeschnitten und möglichst schnell luftgetrocknet. Nach dem Absieben der Blütenstände erhält man die gerebelten Einzelblüten. Bei minderwertiger Ware werden die Blütenstände insgesamt zerkleinert (nichtgerebelte Ware) oder ein Teil der Blüten ist braun verfärbt, was meist auf falsche Trocknung zurückzuführen ist.

Brauchtum

Im Altertum stand der Holunder (bevorzugt der Zwergholunder S. ebulus) in hohem Ansehen. Für Hippokrates (ca. 460-370 v. Chr) und die Hippokratiker unterstützte er die „Heilkraft der Natur“ und wird auch von Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) und Plinius d. Ä. (23-79 n. Chr.) erwähnt. Verwendet wurden alle Teile der Pflanze in den verschiedensten Zubereitungen und Anwendungen vor allem gegen Wassersucht, als Abführmittel und bei Frauenleiden.
Als einheimische Pflanze diente der Schwarze Holunder in Mitteleuropa schon immer nicht nur als Nahrungsmittel (Holunderbeeren in der Jungsteinzeit), sondern auch als Heilpflanze (beliebtes Volksheilmittel, „Universalmedizin“). Albertus Magnus (1200-1280) schrieb, daß die von oben nach unten geschälte Rinde ein Abführmittel und das Abschälen in entgegengesetzter Richtung ein Brechmittel ergibt (zu dieser Zeit eine bemerkenswerte Feststellung, denn die enthaltenen Blausäureglykoside wirken sowohl abführend als auch brecherregend), wobei die Sympathie der Richtungen im Aberglauben begründet war. Aufgrund von abergläubischen Vorstellungen ließ man Holunderbüsche in ländlichen Gebieten an Wohnhäusern und Viehställen wachsen. Weil dort schützende Hausgötter wohnten, wagte es niemand, einen solchen Holunderstrauch zu fällen.
In Japan und Korea nimmt man Sambucus-Arten traditionell zur Behandlung von entzündlichen und allergischen Krankheiten.

Wissenswertes

Der Name „Holunder“ wird auf das althochdeutsche „hol“ (hohl) und „tar“ (Baum) zurückgeführt. Die Herkunft des Gattungsnamens „Sambucus“ ist unsicher: möglich erscheinen griech. „sambuca“ (Posaune; Verwendung von Holunderholz zum Posaunenbau) oder griech. „sandex“ für eine Pflanze mit rotfärbendem Pflanzensaft und vielleicht auch lat. „sapa“ (Saft); der Artname bezieht sich auf die schwarzen (lat. „nigra“) Beeren.
Die vollreifen Beeren dienten in früheren Zeiten als Färbemittel vor allem von Wolle (stumpfes braun-violett), später auch von Leinen (blau) und noch heute als Naturfarbe für Baumwolle (gebeizt mit Kupfersulfat: violettblau; bei Nachbehandlung mit Seifenwasser himmelblau und mit Essig lila). Holunderblätter nahm man im letzten Jahrhundert zum Gelbfärben von Leder.

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe

Getrocknete Blüten von S. nigra enthalten etwa 5 % phenolische Carbonsäuren (vor allem Chlorogensäure, aber auch Kaffeesäure, Ferulasäure); 3,5 % Flavonoide (z. B. Isoquercitrin, Rutin), 1 % Triterpene sowie je 0,1 % ätherisches Öl und wasserdampfflüchtige Stoffe (freie Fettsäuren: besonders Palmitinsäure, n-Alkane, Monoterpene); weiterhin Sterole (Campesterol, ß-Sitosterol), Schleim- und Gerbstoffe; 8-9 % mineralische Bestandteile mit hohem Anteil an Kaliumnitrat.

Eigenschaften, Wirkungen

Chlorogensäure und andere Caffeoylchinasäuren hemmen die Bildung entzündungserregender Stoffe. In hoher Dosierung führten sie in Tierversuchen zu vermehrter Gallenausscheidung.
Die schweißtreibenden, in den Bronchien auch sekretionssteigernden und möglicherweise harntreibenden Wirkstoffe der Holunderblüten sind nicht genau bekannt. Diese Wirkungen könnten – zumindest teilweise – auch auf die übliche Anwendungsart (Einnahme einer großen Menge heißer Flüssigkeit: „Schwitztee“) zurückzuführen sein. Holunderblüten sollen auch die körpereigenen Abwehrkräfte stärken und sich als Vorbeugungsmittel gegen Erkältungskrankheiten eignen.

Warnhinweise

Der Schwarze Holunder (S. nigra) enthält in seinen Pflanzenteilen – besonders jedoch in Blättern, Rinde und unreifen Früchten – in unterschiedlicher Konzentration das cyanogene Glykosid Sambunigrin.Es führt zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Blüten und reife Früchte sind eßbar, doch ist das Blausäureglykosid in geringerer Menge auch in den reifen Beeren vorhanden. Eine Aufnahme roher Früchte solle daher vermieden werden (durch Kochen werden die Giftstoffe zerstört). Die Warnhinweise gelten entsprechend für den Trauben-Holunder (S. racemosa); giftig sind hier vor allem die in den reifen Beeren enthaltenen Samen.
S. ebulus enthält auch giftige Bitterstoffe und kann im Vergleich zu den beiden vorgenannten Arten schwere Vergiftungen bewirken; selbst Todesfälle sind bekannt.
Pollen von Sambucus-Arten zählen zu den Erregern des Heuschnupfens. Eine Gefährdung der betroffenen Allergiker besteht vor allem in der Nähe von Holunderbüschen.

Anwendung

Anwendungsgebiet

Arzneidroge: Sambuci flos (Holunderblüten).
Die Anwendung erfolgt bei Erkältungskrankheiten (schweißtreibend und zur Förderung der Bronchialsekretion).

Anwendungsart

Die getrockneten und gesiebten Blütenstände verwendet man in Form von Teeaufgüssen. Empfohlen werden mehrmals täglich 1 bis 2 Tassen, die möglichst heiß zu trinken sind. Die mittlere Tagesdosis beträgt 10-15 g.
Holunderblüten sind – oft in Kombination mit Kamille und Lindenblüten – in Erkältungstees als schweißtreibendes Mittel enthalten und auch unter der Bezeichnung „Fliedertee“ bekannt. In einigen Abführtees dienen sie zur Geschmacksabrundung.
In der Volksmedizin nimmt man Holunderblüten auch zur Linderung von Rheuma, Gicht, Nervenschmerzen und Ödemen; äußerlich als Badezusatz und in Gurgelwasser. Traditionell wird außer den Blüten auch frische Holunderrinde oder -wurzel verwendet, z. B. als Abführ- und Brechmittel. Blätter und unreife Früchte sollen bei Verstopfung helfen (beachte hierzu: „Warnhinweise“).

Das Homöopathikum „Sambucus nigra” aus frischen Blüten und Blättern soll helfen bei Erkrankungen der Atemwege (besonders der Nasenschleimhäute) und Asthma, als schweißtreibendes Mittel und bei Muskel- und Gelenkrheumatismus.

Produkte

Getränke

Aus Holunderblüten läßt sich recht einfach „Holunderlikör“ herstellen: 700 g Zucker in 4,5 Liter kochendes Wasser geben und umrühren, bis er sich aufgelöst hat. Nach dem Abkühlen Saft und Schale von einer Zitrone, 30 ml Essig und 12 Holunderblüten-Dolden hinzufügen. Nach 24 Stunden filtern und in saubere Glasflaschen füllen. Zwei Wochen stehen lassen und dann kühl genießen. In der den Aquavit prägenden Gewürzmischung sind auch Holunderblüten enthalten. Mit Zuckerwasser kann man diese auch zu „Holundersekt“ vergären.
Holunderbeeren werden zur Herstellung von Wein („Hollerwein“) und gleichfalls als aromatischer Bestandteil bei der Likör-Herstellung verwendet, z. B. des italienischen „Sambuca“, einem Anislikör der Firma Molinari.

Tee

Für die Zubereitung von Holunderblütentee („Fliedertee“) nimmt man 2 TL (3-4 g) getrocknete Holunderblüten auf 1 Tasse (0,15 Liter) kochendes Wasser; 5-10 Min. ziehen lassen und filtern. Als „Schwitztee“ wird diese Menge mehrmals täglich sehr heiß getrunken. Zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten verwendet man etwas weniger Holunderblüten (etwa 1 TL auf 1 Tasse) und trinkt den Tee nicht heiß, sondern lauwarm.

Speisen

Die reifen und gekochten Beerenfrüchte sind reich an den Vitaminen C und A wie auch Mineralstoffen und lassen sich vielfältig verwenden. „Holunderküchlein“ sind in Pfannkuchenteig gebackene Blüten. Holundersirup oder Marmelade erhält man durch Auspressen der reifen schwarzen Beeren und Einkochen zusammen mit Zucker und etwas Zitronensaft. Saft aus den gekochten Holunderbeeren kann verschiedensten Speisen und Getränken als Lebensmittelfarbstoff hinzugefügt werden.
Rezept für Gelee: 1 kg reife Früchte kochen und den Brei filtern, 700 g Zucker hinzufügen und nochmals aufkochen. In Gläser füllen und luftdicht verschließen.

Kosmetik

Holunderblütenwasser ist eine milde Lotion aus 100 g getrockneten Holunderblüten in einem Liter Wasser (keine frischen Blüten verwenden!). Es soll die Haut weich und samtig machen und dient auch zur Herstellung von Aftershaves.

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Letzte Änderung: 9. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)

Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2018): Holunder (Sambucus nigra) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

• Verbreitungskarte Sambucus nigra: Euro+Med PlantBase Project. Botanical Museum, Helsinki, Finland 2018; Data from BGBM Berlin-Dahlem, Germany. Source: World Checklist of Selected Plant Families (2010), © The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew;

alle weiteren Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)