Küchenschelle

  • Pulsatilla pratensis, Pulsatilla vulgaris
  • Kuhschelle, Kuhglocke, Wiesenküchenschelle, Pelzanemone
  • (Fam. Ranunculaceae, Hahnenfußgewächse)
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Kräuterbeschreibung

Küchenschellen sind ausdauernde Kräuter mit einem kräftigen, pfahlartigen Wurzelstock (bis 1 m), aus dem im Frühjahr meist mehrere, 10–20 cm hohe Blütenstengel austreiben (die zur Fruchtreife bis 40 cm hochwachsen). Sie tragen jeweils einzeln und endständig violette (seltener auch weiße oder gelbe) glockenförmige Blüten mit 6 Kronblättern und zahlreichen gelben Staubblättern. Am Stengel sitzen einige Zentimeter unterhalb der Blüte 3 (4) fiedrige oder unregelmäßig geteilte Hochblätter, die quirlig miteinander verwachsen sein können (Hochblattquirl, „Scheinquirl“).

Alle übrigen Blätter sind gefiedert und bilden eine grundständige Rosette. Die seidig weiße Behaarung auf Blüten, Stengeln und Blättern kann mit zunehmendem Alter zurückgehen. Nach der Bestäubung durch Bienen und Hummeln entwickelt sich im Sommer ein schopfartiger (P. pratensis) oder zottiger Fruchtstand (P. vulgaris) mit einsamigen Nüsschen. Die federartig verlängerten und behaarten Griffel (bei P. vulgaris radial abstehend) werden überwiegend durch den Wind verbreitet und können sich mit hygroskopischen (von der Feuchte abhängigen) Bewegungen in die Erde bohren.
Bei Pulsatilla vulgaris (hellviolette Blüten; zunächst nickend, später aufrecht und sich öffnend) unterscheidet man die Subspezies vulgaris und grandis, bei P. pratensis (Blüten schwarzviolett und nickend) ssp. pratensis und ssp. bohemica. Die Arten bilden auch Hybriden.

Verwandte Kräuter

Neben den beiden für Heilzwecke verwendeten Pulsatilla-Arten gibt es in Europa noch einige andere, die äußerlich sehr ähnlich und z. T. nur regional verbreitet sind, z. B. Alpen- (P. alpina, weiß- oder gelbblühend, auf nährstoffreichen Bergwiesen), Frühlings- (P. vernalis, bronzefarbig behaart) oder Finger-Küchenschelle (P. patens, handförmige Grundblätter, im Freiland sehr selten). In Asien (Sibirien, Mongolei, China, Japan) verwendet man zu Heilzwecken die Chinesische Küchenschelle (P. chinensis).
Weitere Pflanzen der großen Fam. Ranunculaceae (Hahnenfußgewächse) mit denselben Wirk- bzw. Giftstoffen (besonders Protoanemonin) sind u. a. das Buschwindröschen und Verwandte (Anemone nemorosa, Anemone sp.), die Waldrebe (Gatt. Clematis) und einige Ranunculus-Arten, z. B. der Gift-Hahnenfuß (R. sceleratus) und der Scharfe Hahnenfuß (R. acris).

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Pulsatilla vulgaris und P. pratensis sind in Nord-, Mittel- und Osteuropa verbreitet. In Mitteleuropa liegt das Hauptverbreitungsgebiet von P. vulgaris im mittleren und östlichen Frankreich, in Süddeutschland, in der Schweiz und Österreich, von P. pratensis dagegen in östlicheren Gebieten (Norwegen, Schweden, Nordost- und Ostdeutschland, Polen, Baltikum, Tschechien und Österreich bis zum Ural).
Wildwachsende Pulsatilla-Arten stehen unter Naturschutz und sind je nach Region und Landesteil „gefährdet“, „stark gefährdet“ oder „vom Aussterben bedroht“.

Standort

Pulsatilla vulgaris und P. pratensis wachsen auf trockenen und stickstoffarmen Standorten (wasserdurchlässige Trocken- und Halbtrockenrasen, Heiden, trockene Kiefernwälder, Felsrasen), zumeist in geschützten und etwas wärmeren Lagen.
Die Subspezies P. vulgaris ssp. vulgaris ist eine Halblichtpflanze und kommt im Westen des Verbreitungsgebiets ihrer Spezies auf basenreichen Böden vor, die nicht unbedingt kalkhaltig sein müssen; die Volllichtpflanze ssp. grandis wächst dagegen im östlichen Verbreitungsgebiet auf stickstoffärmsten Kalkböden.
P. pratensis ssp. pratensis ist eine Halblichtpflanze auf kalkarmen Sandböden, während ssp. bohemica kalkreiche Sandböden bevorzugt.

Kultivierung

Küchenschellen werden vor allem als Gartenzierpflanzen kultiviert und sind auch mit größeren Blüten in weiß (var. alba) und rot (var. rubra) im Handel. Die Vermehrung erfolgt zumeist durch Aussaat, weniger durch Wurzelstecklinge.
Die Pflanze eignet sich z. B. für etwas tiefgründigere Zonen im Staudenbeet oder für trockene Steingärten in der vollen Sonne. Der Boden sollte kalkhaltig sein (evtl. einen Kalkstein neben die Pflanze legen) und darf nicht gedüngt werden. Die Küchenschelle kann an einem Standort sehr alt werden.

Brauchtum

Schon im frühen Mittelalter kannte man die Reizwirkung der frischen Pflanze und nahm sie zum Abätzen von Warzen und Hautflecken, später auch zur Behandlung von Pest und Syphilis. Die Verwendung des frischen Krauts zur Abtreibung endete häufig mit dem Tod. Blätter legte man bei Hüftschmerzen einige Stunden auf die Haut, schnitt die entstandenen Blasen auf und strich zur Schmerzlinderung ungesalzene Butter darüber. Offene, nicht heilende Wunden wurden mit gepulvertem Kraut bestreut oder mit Küchenschellenwasser (getrocknetes, pulverisiertes Kraut in Wasser) ausgewaschen.
Ebenfalls gebräuchlich war die zu Pulver gestoßene und meist mit Wein oder Essig aufgeschwemmte Wurzel, z. B. vorbeugend gegen die Pest, nach Bissen und Stichen giftiger Tiere, bei Erkältungskrankheiten, Keuchhusten, Hautausschlägen, Rheuma und Gicht. Das eingeatmete Wurzelpulver sollte Niesen verursachen und dadurch Kopf und Hirn reinigen. Das Kauen der Wurzel half angeblich gegen Zahnschmerzen.
Im Alpengebiet verwendete man P. alpina bei Periodenschmerzen.

Wissenswertes

Der Gattungsname „Pulsatilla“ kommt von lat. „pulsare“ (schlagen, läuten; „Glockenschlag“) und bezieht sich auf die Glockenform der Blüten (Verkleinerungsform: „illa“). Die Artbezeichnung pratensis ist nach dem Standort (lat. „pratum“, Wiese) benannt; lat. „vulgaris“ heißt die weit verbreitete, „gewöhnliche“ Art einer Gattung.
Mit der Küche hat die Küchenschelle nichts zu tun; ihr Name soll aus der Verniedlichung von Kuhschelle („Küh-chen-schelle“) entstanden sein.

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe

Hauptwirkstoffe des frischen Krauts sind das Lactonglykosid Ranunculin und das Lacton Protoanemonin (welches sich enzymatisch aus Ranunculin abspaltet), außerdem Bitter- und Gerbstoffe sowie ätherische Öle und Saponin (besonders im Wurzelstock).
Getrocknetes Kraut enthält die Abbauprodukte des Protoanemonins (siehe unter „Eigenschaften/Wirkungen“).

Eigenschaften, Wirkungen

Die Hauptwirkstoffe Ranunculin und Protoanemonin werden beim Trocknen der Pflanze abgebaut (u. a. in das weniger aktive Anemonin dimerisiert, weiter in unwirksame Anemoninsäure).
Das in der frischen Pflanze enthaltene Protoanemonin wirkt örtlich sehr stark reizend (besonders auf Schleimhäute) und antimikrobiell. Es erregt das Zentralnervensystem, reizt die Nieren und ableitenden Harnwege und hemmt die Zellteilung (Mitose).
Anemonin besitzt eine entsprechende, aber geringere Wirksamkeit; es hat außerdem spasmolytische (krampflösende) Eigenschaften.

Warnhinweise

Alle Teile der frischen (!) Pflanze sind aufgrund der hohen Reizwirkung des Protoanemonins sehr giftig. Bei Haut- und Schleimhautkontakt kommt es zu heftig juckenden Rötungen bis zu schwer heilenden Verätzungen mit Blasenbildung; eingenommen werden das Zentralnervensystem gelähmt (Übelkeit, Benommenheit, Schock) und die Nieren geschädigt; tödliche Dosen beruhen auf einer Kreislauf- und Atemlähmung.
Bei Schwangeren darf eine Anwendung auf keinen Fall erfolgen (absolut kontraindiziert: Abort, Frühgeburten und Mißbildungen bei weiblichen Weidetieren).

Anwendung

Anwendungsgebiet

Arzneidroge: Pulsatillae herba (Küchenschellenkraut)
Die volkstümlichen Anwendungen sind nicht belegt:
Innerlich bei Erkrankungen der Genitalorgane, z. B. schmerzhaften Krämpfen und Menstruationsbeschwerden (Antispasmodikum), Magen-Darm-Beschwerden, Harnwegserkrankungen, Nieren- und Blasenleiden (Diuretikum), Rheuma und Gicht, sowie bei Migräne, Nervenschmerzen (Neuralgien) und als Beruhigungsmittel bei allgemeinen Unruhezuständen; äußerlich bei entzündlichen und infektiösen Haut- und Schleimhauterkrankungen.

Nur in der chinesischen Medizin verwendet man die getrockneten Wurzeln von P. chinensis (Pulsatillae radix) u. a. bei Trichomoniasis (urogenitale Infektionskrankheit), Malaria und Amöbenruhr; volkstümlich auch bei Magen-Darm-Beschwerden, zur Entgiftung und Fiebersenkung.

Anwendungsart

Küchenschellenkraut besteht aus den getrockneten, oberirdischen Teilen von Pulsatilla vulgaris und/oder P. pratensis und deren Zubereitungen.

Pulsatilla pratensis Pulsatilla vulgaris Kuhschelle, Kuhglocke, Wiesenküchenschelle, PelzanemoneDas Homöopathikum „Pulsatilla” besteht aus der frischen, zur Zeit der Blüte gesammelten ganzen Pflanze. Es ist ein häufig verwendetes Mittel bei allen möglichen Beschwerden, auch hier sind die Anwendungen nicht belegt: Verbesserung des Allgemeinbefindens, bei Schleimhautentzündungen, Verdauungsstörungen, Blasen- und Nierenentzündungen, Harninkontinenz, Krampfadern, Allergien, Rheuma, Migräne, nervösen Erschöpfungszuständen und Depressionen. „Frauenmittel“ nennt man es aufgrund der Anwendung bei Störungen des weiblichen Zyklus, bei Wehenschwäche, Sterilität und im Klimakterium.

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Letzte Änderung: 9. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)

Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2018): Küchenschelle (Pulsatilla pratensis, Pulsatilla vulgaris) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

• Verbreitungskarten Pulsatilla pratensis und Pulsatilla vulgaris: Euro+Med PlantBase Project. Botanical Museum, Helsinki, Finland 2018; Data from BGBM Berlin-Dahlem, Germany. Source: World Checklist of Selected Plant Families (2010), © The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew;

alle weiteren Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur

→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)