Schlafmohn

  • Papaver somniferum
  • (Fam. Mohngewächse, Papaveraceae)
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Kräuterbeschreibung

Der Schlafmohn ist einjährig und wird 30 bis 150 cm hoch. Aus der Pfahlwurzel treiben stielrunde und meist kahle, einfache oder verzweigte Stengel. Die unterseits blaugrün bereiften Blätter sind überwiegend stengelumfassend, eiförmig und unregelmäßig gezähnt. Ab Juni erscheinen auf den abstehend behaarten Stengeln die becherförmigen, vierblättrigen, etwa 6 cm (bis 10 cm) großen Blüten mit rosa-violetter oder weißer (var. album) Farbe. Die Blütenblätter tragen am Grunde einen violetten oder schwarzen (var. nigrum) Fleck. Nach der Blütezeit bilden sich zwischen Juli und September die bis zu 5 cm großen Früchte (Porenkapseln, Mohnköpfe). Sie sind kugelig bis eiförmig und besitzen oben einen Kranz mit 5 bis 12 Narbenstrahlen. In den Früchten entwickeln sich die dick-nierenförmigen, 1,5 mm langen und meist blaugrauen Samen. Ihre Oberfläche ist gleichmäßig grobnetzig. In der gesamten Pflanze befindet sich weißer Milchsaft.

Verwandte Kräuter

Nahe verwandt mit dem Schlafmohn sind die ebenfalls milchsaftführenden, rotblühenden Arten Papaver orientale (Türkischer Mohn) und Papaver bracteatum mit Hybriden und Rassen. Ihr Anbau unterliegt ebenfalls dem Betäubungsmittelgesetz; in Kleinstmengen werden sie aber auch als Gartenzierpflanzen verwendet. Weil der Schlafmohn in Mexiko verboten ist, wird in der dortigen Bevölkerung verstärkt der Stachelmohn (Chicalote, Argemone mexicana) verwendet. Er hat schon den Azteken als Rausch- und Heilmittel gedient.
In Mitteleuropa wildwachsend findet man häufig Papaver dubium agg. (Artengruppe Saat-Mohn), Papaver rhoeas (Klatsch-Mohn) und einige seltenere Arten, z. B. der weiße P. alpinum (Alpen-Mohn).
Zu den Mohngewächsen gehört auch das als Heilpflanze verwendete einheimische Schöllkraut (Chelidonium majus) mit opiumähnlichen Alkaloiden.

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Als Stammpflanze des Schlafmohns werden sowohl der im östlichen Mittelmeergebiet (Kleinasien) und Zentralasien verbreitete Papaver somniferum var. album wie auch der im westlichen Mittelmeer beheimatete Borstenmohn (P. somniferum ssp. setigerum) diskutiert. Von dort soll er sich schon in der frühen Menschheitsgeschichte (jungsteinzeitliche Funde) über Indien bis Ostasien verbreitet haben.
In Mitteleuropa dient er neben weiteren Mohnarten auch als Zierpflanze, erhältlich in mehreren Zuchtformen, z. B. nelkenblütig oder mit gefüllten Kronblättern.

Standort

Der Schlafmohn ist winterhart und bevorzugt einen sonnigen oder halbschattigen Standort, nährstoffreichen und feuchten, aber durchlässigen Boden ohne Staunässe, der einen höheren Kalkgehalt aufweist.

Kultivierung

Etwa 8 bis 10 Tage nach Abfallen der Blütenblätter wird aus der unreifen Kapsel der Milchsaft gewonnen. Für 1 kg Opium sind 200 bis 300 Arbeitstunden erforderlich, in denen rund 20.000 Pflanzen einzeln mit einem Messerchen (früher mit Dornen oder spitzenNadeln) angeritzt werden, wobei der Milchsaft („Tränen des Mohns“) tropfenweise austritt. Nach dem Eintrocknen an der Luft wird er am nächsten Tag abgekratzt und nachgetrocknet. Der erhärtete, gelblichbraune und bittere Saft ist das Roh-Opium (Opiumkuchen). Ein sachgerechtes Anritzen der Mohnkapseln hat bei rechtzeitiger Ernte (Gefahr des Aufplatzens) keine negativen Auswirkungen auf den Ertrag an reifen Mohnsamen.

Schwerpunkt des Opium-Anbaus waren im 19. Jh. der Nahe Osten (Türkei, Persien, Ägypten) und Indien (Malwa, Bengalen). Die Ware aus den Haupterzeugergebieten im südlichen Asien wurde in Europa kaum gehandelt, weil man die gesamte Produktion in den Herstellerländern selbst und für den Export nach China benötigte. Der Mohnanbau fand dort vor allem in den englischen Besitzungen statt und war anfangs ein Monopol der Britisch-Ostindischen-Kompanie. Sie verstärkte die illegale Opiumeinfuhr von Indien nach China, wo es zu erschreckenden Auswirkungen auf die Volksgesundheit kam. 1839 ließ die chinesische Regierung zur Abwehr 20.000 Kisten mit Opium beschlagnahmen und zerstören. Den Engländern war dies Veranlassung zum sogenannten „Opiumkrieg“ gegen China. Er wurde durch den Frieden von Nanking 1842 beendet und zwang China, Häfen für den Handel mit Europa zu öffnen und Hongkong an England abzutreten.
Schlafmohn gedeiht aber auch im mitteleuropäischen Klima und diente seit dem 19. Jh. in Deutschland, Frankreich und England der Alkaloid- bzw. Morphingewinnung. Auf kleinsten Flächen wurde regional (z. B.in der Tschechei) auch der Klatschmohn (P. rhoeas) zur Drogengewinnung angebaut.
Legale Anbaugebiete für pharmazeutische Anwendungen sind nach geltendem UNO-Protokoll auf folgende Länder beschränkt: Bulgarien, (ehemaliges) Jugoslawien, Griechenland, Türkei, Iran, Indien und Kirgisien (ehemalige Sowjetunion). Daneben gibt es Anbaugebiete in China, Vietnam und im „Goldenen Dreieck“ (Burma/Thailand/Laos). Nach Berichten des UN-Drogenkontrollprogramms (UNDCP) stammten noch im Jahre 2000 zwei Drittel des Heroin-Weltmarktes und über 90 % des Marktanteils in Europa aus dem Mohnanbau in Afghanistan. Das Land erreichte 1999 auf ca. 91.000 Hektar Anbaufläche eine Spitzenproduktion von 4.500 Tonnen Opium.

Brauchtum

Die Assyrer nannten den Mohn „Pflanze der Freude“ und gaben damit eine Vorschau auf das Brauchtum in den folgenden 3500 Jahren Opiumgeschichte. In Ägypten wird Opium im 16. Jh. v. Chr. als Arznei genannt (Papyrus Ebers). Opium gehörte zu den meistverwendeten Arzneimitteln in der Antike (Schmerz- und Schlafmittel) und wurde überwiegend von Zypern aus vertrieben. Dioskurides gab in seiner Arzneimittellehre aus dem 1. Jh. n. Chr. eine detaillierte Beschreibung der Opiumgewinnung, an der sich bis heute nichts gerändert hat.

Mohn war vor allem ein Symbol der Fruchtbarkeit und mehreren Göttern (Demeter, Isis) heilig. Die Liebesgöttin Aphrodite trug Mohnkapseln in der Hand. Das Opium wurde den Göttern geopfert und bei Orakeln verwendet. Schon damals diente das berauschende Mittel auch dem besseren Gelingen von Orgien und Gelagen.

Schon bald gelangte der Mohn – wahrscheinlich durch die Araber – auch nach Indien und später nach China, wo man seit etwa 1600 dem Opiumrauchen frönte. Für das spezielle Rauchopium (chandu oder Tschandu – hergestellt durch Entfernen der wasserlöslichen Stoffe, Hitzebehandlung und Fermentation) gab es Opiumpfeifen aus Bambusrohr mit Mundstück. Die Droge diente nicht zuletzt der sexuellen Stimulanz im Rauschzustand: die sogenannten Opiumhöhlen waren zumeist auch eine Stätte der freizügigen und hemmungslosen Erotik mit Bordellcharakter. Zur Aufbewahrung des Opiums mit der Bezeichnung „Ying-tsu-su“ („Fisch und Wasser kommen zusammen“ = Geschlechtsverkehr) dienten aus weißem Messing gefertigte und mit erotischen Motiven versehene Opiumdosen.

Auch in Mitteleuropa wird der Mohn schon lange verwendet. Die ältesten Nachweise stammen von Ausgrabungen in der Schweiz, wo man in Pfahlbauten über 4000 Jahre alte Mohnkapseln fand. Im Mittelalter war er – wie schon in der alten Welt – ein Fruchtbarkeitssymbol. Als Hinweis darauf deutete man die zahlreichen Samen in seiner Fruchtkapsel. Zur Hochzeit wurden die Eheleute mit Mohnsamen beworfen – so wie früher auch mit Hirse oder heute mit Reis.

Opium diente den Ärzten über Jahrhunderte hinweg als hochwirksames Schmerzmittel – das einzige, was ihnen zur Verfügung stand. Es hatte damit vor allem im Mittelalter größte medizinische Bedeutung und war auch als Hauptwirkstoff im berühmten, über einen Zeitraum von 1700 Jahren (bis zum 19. Jh.) verwendeten alchimistischen Heilmittel „Theriak“ enthalten. Die getrockneten Mohnblätter nahm man als Beruhigungsmittel, zur Herstellung von beruhigendem Brusttee oder Sirup als Hustenmittel. Doch auch der Mißbrauch – zumeist aus Unwissenheit – war keine Seltenheit. Noch 1899 warnte Schlitzberger in seiner Gift- und Heilpflanzen-Anleitung: „Eine Unsitte ist es hie und da, frische Mohnköpfe in Milch abzukochen und Kindern als schlafwirkendes Mittel zu geben.“ Dass man dieses dennoch tat, belegen zahlreiche Todesfälle bei Kindern und auch bei Säuglingen.

Wissenswertes

Der Name „Mohn“ ist auf eine sehr alte Mittelmeersprache zurückzuführen und wurde von zahlreichen Sprachgruppen und Völkern entlehnt, z. B. Griechen („mekónion“), Germanen („maho, mago“), Russen („mak“) und Slawen. „Opium“ kommt von griech. „opion, opos“ und bedeutet „(milchiger) Pflanzensaft“. Alte Namen für das Opium sind „Laudanum“ und „Meconium“.

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe, Wirkungen

Hauptwirkstoffe im Milchsaft der Arten P. somniferum, P. orientale und P. bracteatum sind die Opiumalkaloide (20 bis 25 %). Ihr Gehalt ist je nach Herkunft, Pflanzenart und -rasse wie auch der Zubereitungsart verschieden und kann im Jahresverlauf stark schwanken. Wichtigste Inhaltsstoffe sind Morphin (= Morphium, ca. 10 %), Codein (ca. 1 %) und weitere 28 Alkaloide; in den drei genannten Arten beispielsweise Isothebain, Oripavin, Papaverin, Noscapin und Narcein. Der Hauptwirkstoff in Papaver bracteatum ist Thebain; es kann z. B. in den Wurzeln bei einem Alkaloidgehalt von 1 % zu einem Anteil von 98 % enthalten sein.
Durch Acetylierung von Morphium kann man Heroin (Diacetylmorphin) herstellen. Es zählt zu den Rauschmitteln und wird im Körper sehr schnell zu Morphin abgebaut. Eine medizinische Anwendung von Heroin ist nicht erlaubt.
Die therapeutisch wertvollen Rohstoffe sind in der ganzen Pflanze enthalten. Opium (Opium crudum) stammt aus dem Milchsaft der angeritzten Mohnköpfe, kann aber auch durch Zerkleinerung der unreifen, von Samen befreiten Mohnköpfe (Fructus Papaveris immaturi sine simine) gewonnen werden. Den höchsten Morphingehalt haben die nach der Samenernte anfallenden reifen, leeren Kapseln (Fructus Papaveris maturi). Sie sind der wichtigste Ausgangsrohstoff für die Gewinnung einzelner Alkaloide, vor allem des Morphins. Gleichsam verwendet werden können auch die Ernterückstände, z. B. das anfallende Mohnstroh (Stramentum Papaveris) oder die Wurzeln.

Insgesamt wirkt Opium u. a. lähmend auf das Zentralnervensystem (besonders auf das Atemzentrum), den Sauerstoffgehalt des Blutes vermindernd, einschränkend auf die geistige Leistungsfähigkeit (Sinneswahrnehmungen), Euphorie hervorrufend, die Darmmuskulatur entspannend und das Hustenzentrum dämpfend; es kann Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen hervorrufen und außerdem zum Hirnödem und Hörsturz führen.

Forschung

Die angebliche Wirkung des Opiums als Aphrodisiakum ist noch ungeklärt, aber nicht völlig auszuschließen.

Warnhinweise

Beim Mohn ist die ganze Pflanze stark giftig, ganz besonders die Mohnköpfe, der Milchsaft und die weißen, unreifen Samen (nicht jedoch die blauen, ausgereiften und alkaloidfreien Samen, die auch als Nahrungsmittel dienen). Bei Erwachsenen können 0,5 bis 2 g Opium (oder 0,3 bis 0,4 g Morphin), bei Kindern schon 0,01 g tödlich wirken.
Opium und der Hauptwirkstoff Morphin sowie das teilsynthetische Heroin können durch wiederholte Anwendung zur Abhängigkeit und chronischen Vergiftung führen (Opium-, Morphin- und Heroinsucht). Außerdem sind Kontaktallergien möglich.
In den meisten Ländern gibt es für Mohnarten, aus denen Opiate gewonnen werden können, gesetzliche Bestimmungen über Anbau und Handel (Internationales Opiumabkommen von 1925/31 und spätere Durchführungsgesetze, z. B. das Betäubungsmittelgesetz in Deutschland). Nach diesem (Stand: 1994) dürfen von Schlafmohn (Papaver somniferum) und Türkischem Mohn (P. orientale) nicht mehr als 10 qm privat und 1000 qm gewerblich mit Ausnahmegenehmigung bepflanzt werden. Im Handel mit Gartenzierpflanzen sind Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr der Pflanzen und Pflanzenteile von P. orientale und P. bracteatum gesetzlich geregelt.
Andere Mohnarten sind ebenfalls giftig, z. B. der Klatschmohn (Hauptalkaloid Rhoeadin).

Anwendung

Anwendungsgebiet

Medizinisch wird Opium wegen seiner die Darmmuskulatur erschlaffenden Wirkung fast nur noch bei schweren Durchfällen zur Hemmung der Stuhlentleerung angewendet. Ansonsten nimmt man die reinen Alkaloide, z. B. gegen sehr starke Schmerzen (Morphin), gegen Hustenreiz (Codein und Noscapin) und zur Krampflösung besonders im Magen-Darm-Trakt wie auch der Gallen- und Harnwege (Papaverin).
Eine vertretbare Lockerung der wegen Suchtgefahr sehr strengen Bestimmungen, z. B. bei Morphingaben an schwerkranke Patienten mit unerträglichen Schmerzen oder bei bestimmten Depressionen, ist in der Diskussion.
In der Volksheilkunde ist der Schlafmohn wie auch der einheimische Mohn zum Glück ein nur noch selten gebräuchliches Mittel. Als äußere Anwendung hat sich der Brauch erhalten, einzelne Hautstellen mit goldgelbem Mohnöl aus reifen Mohnsamen (im Handel als hochwertiges Speiseöl erhältlich) einzureiben.

Anwendungsart

Zur Abgabe und Verwendung der Wirkstoffe sind in allen Ländern die gesetzlichen Vorschriften zu beachten (in Deutschland u. a. das Betäubungsmittelgesetz und die Betäubungsmittel-Verschreibungs-Ordnung). Der Mißbrauch ist unter Strafe gestellt.
Eine medizinisch verwendete Tinktur wird zumeist aus Rohopium mit einem Alkohol-Wasser-Gemisch hergestellt und enthält eine genau definierte Menge Morphin (z. B. 0,95 bis 1,05 %). Verschreibung und Anwendung beim Patienten ist Sache des Arztes.

In früheren Zeiten nahm man Opium auch in der Homöopathie, z. B. bei Reizzuständen des Zentralnervensystems (z. B. Schreck und Aufregung) und Altersbeschwerden. Aus den bekannten Gründen wird es heute nicht mehr verwendet. Stattdessen ist man auf die Blütenblätter des Klatschmohns (Papaver rhoeas) ausgewichen, die vielerorts als Schlaftee, Schmerzen- und Hustenmittel angeboten werden. Eine Wirkung ist nicht erwiesen und von der Anwendung wird abgeraten. Zu den homöopathisch (selten) verwendeten Arten gehört auch der Saatmohn (P. dubium).

Produkte

Speisen

Der ungiftige Mohnsamen dient zur Herstellung von hochwertigem Speiseöl und wird für zahlreiche Speisen und Gebäck verwendet. Bekannt sind vor allem Mohnbrötchen und Mohnkuchen.

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Letzte Änderung: 9. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)

Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2020): Schlafmohn (Papaver somniferum) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in CH-Brunnen: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

• Verbreitungskarte Papaver somniferum: Euro+Med PlantBase Project. Botanical Museum, Helsinki, Finland 2018; Data from BGBM Berlin-Dahlem, Germany. Source: World Checklist of Selected Plant Families (2010), © The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew;

alle weiteren Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur

→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)