Sternanis

  • Illicium verum
  • Fam. Sternanisgewächse (Schisandraceae)
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Kräuterbeschreibung

Die nur eine Gattung und 40 Arten umfassende Gattung (Illicium) ist die einzige der Familie Schisandraceae (Sternanisgewächse; früher Illiciaceae) mit der wichtigsten Art Echter Sternanis (I. verum), auch „Chinesischer Sternanis” genannt. Bei der Kulturform handelt es sich um einen langsam wüchsigen, bis 8–10 m hohen immergrünen und frostempfindlichen Baum mit lanzettlichen, dunkelgrünen glänzenden Blättern, die aromatisch nach Anis duften (enthalten Ölzellen). Seine kugeligen Blüten sind rötlich- oder grüngelblich-weiß; sie ähneln den Magnolienblüten. Sternförmig angeordnete Fruchtblätter (Name: „Stern“anis) bilden eine Sammelbalgfrucht, deren 8 Teilfrüchte („Zacken“ des Sterns) sich bei der Reife an der Bauchnaht öffnen und jeweils einen dunkelbraunen Samen enthalten.

Botanisch gehören Sternanis und Anis Pimpinella anisum (Apiaceae, Doldenblütler) zu unterschiedlichen Pflanzenfamilien (siehe unter „Anis“). Im Geschmack wie auch in der Verwendung als Gewürz- und Heilmittel sind sie jedoch einander ähnlich.

Verwandte Kräuter

Die Sternanisgewächse sind eine mit den Magnolien verwandte Pflanzenfamilie in Südostasien und Mittelamerika. Aus der Rinde des 4–5 m hoch wachsenden Gelben Sternanis (I. parviflorum) mit glockenförmigen, angenehm duftenden gelben Blüten werden Gewürze hergestellt. In manchen Gartencentern findet sich der in den USA und Mexiko heimische Florida Sternanis (I. floridanum), eine eingeschränkt winterharte Kübelpflanze. Aufgrund der attraktiven roten Blüten wird die Art auch „Roter Sternanis” genannt. Ihre holzig-ledrigen Früchte sind nicht als Gewürz verwendbar.

Einige Arten der Sternanisgewächse sind giftig, u. a. der hochgiftige I. anisatum (Shikimi, Japanischer Sternanis) und der etwas weniger giftige, in China vorkommende I. lanceolatum.

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Die Fam. Schisandraceae umfasst sehr ursprüngliche, einerseits in der Karibik und südöstlichen USA, andererseits in Südostasien einschließlich Japan verbreitete Pflanzen. Fossilfunde belegen ein noch im Tertiär geschlossenes Areal dieser als Tertiärrelikt geltenden Familie der Angiospermen.

Die Heimat des Echten Sternanis (Illicium verum) ist Südchina und Vietnam; Wildformen sind hier jedoch nicht mehr bekannt. Die Art wurde in viele tropische und subtropische Gebiete verbreitet.

Kultivierung

Der Anbau erfolgt weltweit in vielen Ländern der Tropen. In den südostasiatischen Hauptanbaugebieten (China, Vietnam, Japan, Indonesien, Philippinen) überwiegen Kulturen mit kleinwüchsigen Baumformen. Die Früchte werden vor der Reife von August bis Oktober gepflückt und in der Sonne getrocknet.

Umwelt, Naturschutz

Kulturpflanze, keine schützenswerten Freilandbestände.

Brauchtum

In der chinesischen Küche werden Sternanis-Früchte („achthörniger Fenchel“) seit rund 1000 Jahren zum Würzen verwendet. Sternanis kam um das Jahr 1588 nach Europa; anfangs über den Landweg von China zunächst nach Russland und wurde 1674 durch den brandenburgischen Gesandtschaftsrat Joachim Schultes aus Moskau nach Deutschland gebracht (Flückiger 1888). Nach Holland kam der Sternanis ebenfalls im 17. Jh. und ist schon damals als Geschmacksstoff für Getränke verwendet worden. Die Einfuhr größerer Mengen waren erst ab 1876 nach Öffnung des südchinesischen Hafens Pakhoi durch den Schiffsverkehr möglich.

Wissenswertes

Der (giftige) Japanische Sternanis oder Shikimi (Illicium anisatum) ist in Japan und Korea ein heiliger Baum und steht vor allem auf Friedhöfen und in der Nähe von buddhistischen Tempeln. Aus der Rinde und den Früchten der Bäume wird der in den Tempeln verwendete „Weihrauch“ hergestellt.

Sternanis wird auch gerne zum Basteln verwendet („Bastelgewürz“), besonders in der Weihnachtszeit.

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe

Der Hauptwirkstoff des Sternanis (Illicium verum) ist – vgl. beim echten Anis (Pimpinella anisum) – das im ätherischen Öl zu über 90 % enthaltene Anethol (trans-Anethol). Anis- und Sternanisöl haben sehr ähnliche Inhaltsstoffe und sind schwer zu unterscheiden (chromatographisch möglich).


Die Früchte und Samen des Japanischen Sternanis oder Shikimi (Illicium anisatum) enthalten nur Spuren von Anethol, statt dessen giftiges Shikimitoxin (Sesquiterpendilactone Anisatin und Isoanisatin).

Eigenschaften, Wirkungen

Die Wirkungsweise der Inhaltsstoffe von Sternanis entspricht weitgehend jener von Anis. Rohextrakte und Wirkstoffe von Illicium verum besitzen eine breite pharmakologische Wirkung, u. a. antimikrobiell, antifungal, antioxidativ, insektizid, schmerzmildernd, beruhigend und krampflösend (Wang et al. 2012; Review in Patra et al. 2020). Zudem ist Sternanis die Hauptquelle für Shikimisäure (Arzneimittel „Tamiflu”, siehe nachfolgend unter „Forschung”).

Abb. aus Patra et al. (2020):

Forschung

Größere Bedeutung erlangte Sternanis während des Auftretens der H5N1(Vogelgrippe)‐Erkrankung, die erstmals 1997 in Hongkong bei Geflügel nachgewiesen wurde. Zur Vorbeugung einer Grippeinfektion erwies sich der Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir („Tamiflu”: 1999 zugelassen) als besonders wirksam. Begrenzende Faktoren für dessen großtechnische Herstellung war jedoch die Knappheit der Synthesevorstufen Shikimisäure und Chinasäure. In Pflanzen sind diese Zwischenstufen bei der Biosynthese essenzieller aromatischer Aminosäuren und Vorstufen für Lignine und Phenole. Die bedeutendste Quelle von Shikimisäure ist dabei die Pflanzenfamilie der Sternanisgewächse (Schisandraceae). Um 300 Millionen Portionen Tamiflu einzulagern – wie es die US-Regierung plante – wären 23 Tonnen Tamiflu erforderlich gewesen, was etwa 840 Tonnen des Echten Sternanis entsprach. Eine solche Menge stand jedoch nicht zur Verfügung. Weltweit arbeiteten verschiedene wissenschaftliche Arbeitsgruppen an Alternativen, die schließlich auch gefunden wurden, sich aber als sehr aufwendig erwiesen (Farina & Brown 2006).

Die Bekanntmachung erheblicher Nebenwirkungen, Beschwichtigung durch die Cochrane Collaboration (Cochrane Review mit offensichtlichen Mängeln) und dennoch erfolgte Empfehlungen der WHO führten zu einer „Kettenreaktion des Versagens”. Die Bevorratung wurde im Nachhinein als „kostspieliger Fehler“ bezeichnet. Fazit: „Ein Cocktail aus Pandemie-Panik, Werbepropaganda und wissenschaftlichem Fehlverhalten verwandelte ein neues Medikament mit nur bescheidener Wirksamkeit in einen Blockbuster. Es scheint, dass die mehrfachen behördlichen Kontrollen nachgaben, als die Wissenschaft ihren Vorrang verlor und das Pharmaunternehmen keine Zeit verlor, das Beste daraus zu machen” (Gupta et al. 2015). Ob aus den damaligen Fehlern gelernt wurde, wird sich 2020 bei der weltweiten Coronavirus-Pandemie zeigen (SARS-CoV-2 / Covid-19).

Ergebnisse weiterer Forschungen belegten, dass verschiedene Viruskrankheiten wie die infektiösen Bursa-Krankheit (IBDV), Newcastle-Krankheit (NDV) und Laryngotracheitis (ILTV) durch Extrakte aus Illicium verum gehemmt werden können (Alhajj et al. 2020). Sternanis wird daher als Kandidat für eine natürliche alternative Quelle für antivirale Mittel angesehen.

Warnhinweise

Aus Japan stammender und über Amsterdam nach Hamburg gelangter „Sternanis” verursachte 1880 einige Todesfälle, als man diesen zum Würzen von Milch benutzte. Grund war eine Verwechslung von echten Sternanisfrüchten mit den sehr ähnlichen, aber giftigen Früchten von „Illicium religiosum” (= Shikimi; heute: Illicium anisatum). Neben dem als Würz- und Heilmittel verwendeten Sternanis (Illicium verum) gibt es allein in China noch 9 weitere Illicium-Arten mit ähnlich aussehenden, aber toxisch wirkenden Früchten, wobei Verwechslungen, Verfälschungen oder Beimischungen nicht auszuschließen sind. Die damalige Pharmazeutische Kommission sah sich gezwungen, den Sternanis „wohl für immer aus unserem Arzneischatz zu streichen“ (C. Kr. 1881; Oswald 1889).
Aufgrund von zahlreichen Vergiftungsfällen nach Einnahme und zubereitetem Tee wurde der Verkauf von „Sternanis” für den menschlichen Verzehr in einigen europäischen Ländern 2001 erneut verboten. Die genaue Ursache der Vergiftungen – besonders bei Kindern, aber auch Erwachsenen – ist nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden Überdosierung und Verwechslung. Schon ein Verzehr ab 1,5 g der giftigen Shikimi-Früchte führt zu Durchfall und Erbrechen, höhere Dosen u. a. zu Krämpfen mit Atemstillstand.
Während Sternanis eher süß und scharf-aromatisch nach Anis schmeckt, ist Shikimi bitter-sauer, sehr scharf und ohne Anis-Aroma (Duft ähnlich Kardamom). Die Diskussion über „giftigen (Stern-)Anis“ ist ein Medienthema alljährlich zur Weihnachtszeit, wenn Warentester einmal wieder Giftstoffe im Anisgebäck nachweisen konnten. Keinesfalls verzehrt werden sollte jener Sternanis, der ausdrücklich „Dekorationszwecken“ oder zum Basteln dient, weil er zur Konservierung und Verschönerung mit Chemikalien und Wachsen behandelt wurde.

Sternanis kann bei empfindlichen Personen allergische Reaktionen hervorrufen (zumeist gegen Anethol). Anisöl ist sparsam und verdünnt anzuwenden; es wirkt in hoher Dosis narkotisierend, verlangsamt die Durchblutung und kann zu Hirnstörungen führen. Keine Anwendung während der Schwangerschaft!

Anwendung

Anwendungsgebiet

Anisi stellati fructus (getrocknete Anis-Früchte); Anisi stellati aetheroleum (durch Wasserdampfdestillation aus den trockenen reifen Früchten gewonnenes ätherisches Öl; Anisöl).

Sternanis schmeckt wie Anis und wird in Mitteleuropa seit dem 18. Jh. als Ersatz für Anis auch zur Herstellung von Anisöl verwendet. Anwendung bei Erkrankungen der Atemwege (z. B. Husten, Bronchitis) und des Magen-Darm-Trakts (z. B. Blähungen, Verdauungsstörungen).

Arzneidrogen aus dem Sternanis dienen in den Herkunftsländern (Südostasien, China) traditionell zur Behandlung von Rückenschmerzen und Rheumatismus, Erkrankungen der Atemwege, des Magen-Darm-Trakts und von Zahnschmerzen.

Anwendungsart

Die Monographie der Kommission E (1988) verzeichnet eine mittlere Tagesdosis (Richtwert) für die zerkleinerte Droge zum Einnehmen: 3,0 g Droge; 0,3 g ätherisches Öl.

Auf die Ausführungen unter „Warnhinweise“ wie auch unter „Tee“ sei ausdrücklich hingewiesen!

Produkte

Getränke

Ähnlich wie Anis dient auch Sternanis als Aromatikum in alkoholischen Getränken (z. B. Likör, Glühwein).

Tee

Gesundheitliche Probleme zahlreicher Personen nach dem Genuß von Sternanis-Tee (Johanns et al. 2002) veranlassten 2003 die amerikanische Arzneimittel-Zulassungsbehörde (Food and Drug Administration; FAD) zur Abgabe der Empfehlung, auf den Konsum von Tee mit Sternanis zu verzichten.

Speisen

Sternanis ist z. B. in manchen Süßwaren und Zahnpasta enthalten.

Kosmetik

In der Parfümerie dienen Anisaldehyd und Anisalkohol als Duftkomponenten, z. B. bei der Herstellung von Flieder-Duft.

Tipps

Die mittelalterliche Verwendung von Anisöl gegen Läuse und Krätze (siehe unter Anis/„Brauchtum“) beruhte auf der Erfahrung, daß sich viele Schädlinge und Insekten durch Anisgeruch vertreiben lassen.


Letzte Änderung: 20. Juni 2020
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: 9. November 2020


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

• Abb. zur Wirkungsweise der Inhaltsstoffe von Sternanis: aus Patra et al. (2020), siehe Lit.-Verzeichnis;
• Abb. zu Tamiflu aus: Farina & Brown (2006), siehe Lit.-Verzeichnis;

alle weiteren Fotos:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur

→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)

C. Kr. (1881): Vergiftung durch Sternanis. – doi.org/10.1002/ardp.18812180117.
Farina, V. & J. D. Brown (2006): Tamiflu: Das Versorgungsproblem. – Angewandte Chemie 118 (44).
Flückinger, F. A. (1888): Illicium verum, der Sternanisbaum. – doi.org/10.1002/ardp.18882261903.
Gupta, Y. K., M. Meenu & P. Mohan (2015): The Tamiflu fiasco and lessons learnt. – Indian J Pharmacol. 47 (1): 11–16. doi: 10.4103/0253-7613.150308.
Johanns, E. S. et al. (2002): Eine Epidemie epileptischer Anfälle nach dem Verzehr von Kräutertee. – Ned Tijdschr Geneeskd. 146: 813–816 (niederländisch).
Oswald, F. jr. (1889): Bestandtheile der Früchte des Sternanis. – Inaugural-Dissertation, Philosophische Facultät der Universität Marburg; 46 S.
Patra, J. K. et al. (2020): Star anise (Illicium verum): Chemical compounds, antiviralproperties, and clinical relevance (Review). – Phytotherapy Research. 34: 1248–1267; doi: 10.1002/ptr.6614.
Wang, G.-W. et al. (2011): Illicium verum: A review on its botany, traditional use, chemistry and pharmacology. – Journal of Ethnopharmacology 136 (1): 10–20.