Kamille

  • Matricaria recutita, syn. M. chamomilla, syn. Chamomilla recutita, (und zahlreiche weitere Synonyme)
  • Echte Kamille, Feldkamille
  • (Fam. Asteraceae, Korblütler)
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Kräuterbeschreibung

Typische Kennzeichen der Echten Kamille sind ihr starker Kamillegeruch und ein hohler, kegelförmiger Blütenstandsboden. Dieser ist mit 400 bis 500 gelben Röhrenblüten und außen mit einem Kranz weißer Zungenblüten besetzt, die anfangs abstehen und später heruntergeschlagen werden. Die Blütezeit erstreckt sich von Mai bis September. An den meist verzweigten, aufrechten Stengeln sitzen feine, 2- bis 3-fach fiederteilige Blätter. Das meist einjährige Kraut erreicht Wuchshöhen von bis zu 50 cm.

Verwandte Kräuter

Auf den Britischen Inseln, aber auch in einigen westeuropäischen Ländern – wie z. B. Frankreich und Belgien – wird anstelle der Echten Kamille überwiegend die nahe verwandte Römische Kamille (Chamaemelum nobile, syn. Anthemis nobilis) verwendet. Sie ähnelt der Echten Kamille im Aussehen, besitzt jedoch Röhrenblüten mit einer ringförmigen Aussackung und soll eine identische, aber etwas schwächere Wirkung haben. Eine weitere Kamillenpflanze ist die Strahlenlose Kamille (Matricaria matricarioides syn. M. discoidea und Chamomilla suaveolens), der die Zungenblüten fehlen. Sie wird in der Volksheilkunde wie die Echte Kamille verwendet, ist aber deutlich weniger wirkungsvoll. Früher wurde eine geringe Heilwirkung auch der Stinkenden Hundskamille (Anthemis cotula) zugeschrieben (als krampflösendes Mittel und zur Einleitung der Menstruation); heute wird die Art vor allem wegen der Gefahr allergischer Reaktionen nicht mehr verwendet. Ebenfalls keine Heilpflanzen sind die übrigen Hundskamille-Arten wie auch die Geruchlose Kamille (Tripleurospermum sp.).

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Die Heimat der Echten Kamille ist das östliche Mittelmeergebiet. In Europa ist sie fast überall anzutreffen und kommt auch in den gemäßigten Zonen Asiens, Amerikas und in Australien vor. Die Römische Kamille stammt aus Süd- und Westeuropa und Nordafrika;s ie ist eine beliebte Gartenpflanze („Gartenkamille“, buschartiger Bodendecker).

Standort

Die Kamille ist eine anspruchslose „Unkraut- und Ruderalpflanze“ und bevorzugt frische nährstoffreiche, stickstoffhaltige Lehmböden. Man findet sie in Wiesen, an Wegen, auf Äckern, Böschungen, Schutt und oft auch in Getreidefeldern; besonders auf Brachland kann sie als Pionierpflanze große Bestände bilden.

Kultivierung

Die Kamille wird weltweit auch als Arzneipflanze kultiviert und angebaut; die größten Kulturen befinden sich in Argentinien, Ägypten und Ungarn. Rund 80 % der in Deutschland angebauten Kamille stammt aus Thüringen, die übrige zum größten Teil aus Hessen.

Brauchtum

Schon die Ägypter kannten die Wirksamkeit der Kamille gegen Fieber und weihten sie deshalb dem Sonnengott Ra. Die Araber benutzten Kamillenöl zum Einreiben gegen Rheuma und Gicht. Griechische Ärzte wie Hippokrates (5. Jh. v. Chr.) und Dioskurides (1. Jh.n. Chr.) empfahlen die Kamille als schmerzlinderndes Mittel bei Geburtswehen und Menstruationsbeschwerden. Ein Hinweis auf diese Verwendung ist der lateinische Name „Matricaria“ (von matrix = Gebärmutter). Selbst den Germanen war die Kamille heilig. Sie wurde als Blume ihres Sonnengottes Baldur verehrt. Besonders viel Heilkraft schrieb man den zur Zeit der Sonnenwende (genauer am Johannistag: 24. Juni) gesammelten Kamilleblüten zu.
Die Kamille entwickelte sich zum Allheilmittel in der Volksmedizin. In den Kräuterbüchern des Mittelalters finden sich noch zahlreiche weitere Anwendungen. Als Mutterkraut hatte sie besondere Bedeutung bei der Behandlung von Krankheiten des Wochenbettes, der Säuglinge und Kleinkinder. Magen-Darmerkrankungen, Geschwüre, Infektionen der Harnwege und Augenleiden versuchte man mit Kamille-Bädern und -Umschlägen zu heilen.

Wissenswertes

Die Umbenennung des wissenschaftlichen Namens von Matricaria nach Chamomilla wurde wieder rückgängig gemacht. Der Name Chamomilla, von der sich die deutsche Bezeichnung Kamille herleitet, ist griechischen Ursprungs und bezieht sich auf den apfelartigen Duft der Blütenköpfchen (chamai = niedrig; melos = Apfel).

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe

Hauptwirkstoffe der Blüten der Echten Kamille sind 0,29 bis 0,65 % ätherisches Öl mit Alpha-Bisabolol und Bisabololoxid A und B; weiterhin Matricin bzw. Chamazulen (entsteht bei der Wasserdampfdestillation aus Matricin und bewirkt die tiefblaue Farbe vonreinem Kamillenöl) und Flavonderivate (Apigenin und Apigenin-7-glycosid). Bei der Römischen Kamille hat das Ätherische Öl eine andere Zusammensetzung und riecht auch anders als die Echte Kamille. Der strahlenlosen Kamille fehlt das Chamazulen.

Eigenschaften, Wirkungen

Die entzündungshemmende Wirkung des wichtigsten Hauptwirkstoffs Alpha-Bisabolol beruht einerseits auf dessen antiseptischen (= bakterientötenden) Eigenschaften, andererseits kann der Wirkstoff die Erweiterung der Blutgefäße – wie sie bei einem Entzündungsprozeß auftreten – rückgängig machen. Gleichzeitig wird der Hautstoffwechsel angeregt, was die Wundheilung beschleunigt. Wegen der antibakteriellen Wirkung und dem angenehmen Geruch läßt sich die Kamille auch vorzüglich als Desodorant (gegen üble Gerüche) verwenden. Sie wirkt außerdem muskelkrampflösend.

Warnhinweise

Es besteht Verwechslungsgefahr mit Hundskamille-Arten, insbesondere der Acker-Hundskamille (Anthemis arvensis) und der Stinkenden Hundskamille (Athemis cotula). Besonders letztere hat keinen aromatischen, sondern einen unangenehmen Geruch, besitzt keinen gefüllten Blütenboden und ihre Früchte sind warzig statt gerieft. Aufgrund ihres hohen Gehalts von 1,8 bis 7,3 % (!) des Sesquiterpenlactons Anthecotulid im ätherischen Öl kann es zu starken allergischen Reaktionen kommen (selbst bei Mischungen mit der Echten Kamille, z. B. in Kamillentee).Zwischen Hundskamille und der Echten Kamille soll es auch zur Bastardbildung kommen, was eine Unterscheidung erschwert. Selbst einige Rassen der Echten Kamille (sog. Bisabololoxid-B-Typ, z. B. aus Argentinien und Chile), besitzen einen wesentlich höheren Gehalt an allergieinduzierendem Anthecotulid als die einheimischen. Aus diesem Grund werden dort als Handelsware zunehmend die europäischen Rassen kultiviert.

Anwendung

Anwendungsgebiet

Arzneidroge: Matricariae flos (Kamillenblüten)
Äußerlich wird Kamille zur Lokalbehandlung von Entzündungen, insbesondere Haut- und Schleimhautentzündungen sowie Erkrankungen der Luftwege – auch bakterieller Art – verwendet. Die innere Anwendung erfolgt bei Krämpfen und Entzündungen im Magen-Darm-Trakt.
Der Strahlenlosen Kamille fehlen die entzündungshemmenden und wundheilungsfördernden Eigenschaften.

Anwendungsart

Verwendet werden nur die frischen oder getrockneten Blüten der Echten Kamille. Das Sammeln sollte bei trockenem Wetter erfolgen. Man legt sie in einen Korb oder Stoffbeutel (wegen des Kondenswassers nicht in eine Plastiktüte). Zum Trocknen bestimmte Blüten werden gleich nach der Ernte auf einem Bogen Papier oder einem feinmaschigen Sieb ausgebreitet und an einem luftigen Ort in den Schatten gestellt (bei Temperaturen über 35 °C verflüchtigt sich das ätherische Öl). Die Lagerung erfolgt in geschlossenen Behältern (wegen des ätherischen Öls nicht in Plastikgefäßen).

Am bekanntesten ist die innere Anwendung in Form von Tee (Teeaufgüsse) bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Hierzu übergießt man einen gehäuften Eßlöffel Kamillenblüten (ca. 3 g) mit heissem Wasser. Zugedeckt läßt man 5 bis 10 Minuten ziehen und filtriert dann durch ein Teesieb. Der Tee wird 3 bis 4 x täglich frisch zubereitet und zwischen den Mahlzeiten getrunken.

Bei Entzündungen der Mundhöhle und des Zahnfleisches wird mehrmals täglich mit Tee gespült oder gegurgelt. Zur Behandlung der Atemwege bevorzugt man die Inhalation. Bei Erkrankungen im Anal- und Genitalbereich, z. B. bei Hämorrhoiden oder Vaginalentzündung, wendet man Bäder oder Spülungen an. Für Umschläge und Spülungen werden 3- bis 10%-ige Aufgüsse empfohlen. Als Badezusatz nimmt man 50 g Droge auf 10 Liter Wasser.
Die Ansichten über Dampfbäder sind geteilt: einerseits werden sie als zu umständlich und wenig wirksam bezeichnet, andererseits sollen wasserdampfflüchtige Wirkstoffe auch versteckte Stellen besser erreichen können.

Das Homöopathikum „Chamomilla” wird in erster Linie als Heilmittel für das Nervensystem (Schmerzmittel) verwendet, z. B. Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen (Rheumatismus), Frauenbeschwerden (Menstruation, Geburt und Stillen) und Zahnschmerzen. Weitere Anwendung bei Blähungen sowie Zahnungsbeschwerden und Schlafstörungen bei Kindern.

Produkte

Getränke

Die Blüten der Echten Kamille liefern nicht nur einen vorzüglichen Tee, sondern können auch zur Herstellung von Schnaps, z. B. Kamillengeist, verwendet werden: 30 g frisch getrocknete Kamillenblüten werden zusammen mit 1 Liter Wodka in eine Flasche gefüllt. Diese läßt man 4 Wochen lang an einem warmen, sonnigen Platz stehen (alle 3 bis 4 Tage schütteln). Anschließend kann der Schnaps filtriert werden. 2 x täglich 20 ml sollen bei Entzündungen und Geschwüren im Magen-Darm-Bereich helfen, die Nieren stärken, krampflösend und beruhigend wirken.
In der Getränkeindustrie wird die Kamille nur wenig verwendet, z. B. in einigen Kräuterlikören, Kartäuser und der Marke „Aromatique“.

Tee

Beim Kamillentee bestehen gewaltige Unterschiede zwischen den Handelsformen zu Heilzwecken (festgelegte Qualitätsanforderungen, z. B. durch das Europäische Arzneibuch; Anwendung und Dosierung sind auf der Packung vermerkt) und als Teegetränk. Der normale Teebeutel aus dem Supermarkt eignet sich nicht für medizinische Anwendungen. Hier wird zumeist das ganze Kamillenkraut verarbeitet oder mitverarbeitet.
Informationen über den Kamillentee als Heilmittel: siehe unter „Anwendung und Verordnung“.

Kosmetik

Kamille wird von der Kosmetikindustrie in den unterschiedlichsten Präparaten verarbeitet. Beispiele sind Badezusätze (zur Entspannung), Salben und Handcremes (reinigen, beruhigen und entspannen die Haut) und Haarshampoos. Kamillespülungen verwendet man auch zum Aufhellen blonder Haare.
Eine Gesichtsmaske soll kühlend und beruhigend wirken. Hierzu nimmt man jeweils 2 Eßlöffel Naturjoghurt und kleingehackte Kamillenblüten. Beides wird mit Hafermehl zu einem Brei verrührt und im Gesicht aufgetragen (Mund und Augen aussparen, die Augen evtl. mit einer Gurkenscheibe bedecken). Nach 10 Min. mit lauwarmem Wasser abwaschen.
Kühlendes und erfrischendes Gesichtswasser läßt sich ganz einfach selbst herstellen: Eine Handvoll Kamilleblüten wird mit heißem Wasser überbrüht. Nach dem Abkühlen und Abseihen ist das Kamillewasser, z. B. zum Waschen des Gesichts, verwendbar (verschlossen im Kühlschrank aufbewahren und alsbald verbrauchen).

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Letzte Änderung: 10. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2020)

Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2018): Kamille (Matricaria recutita) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

alle Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)