Maiglöckchen

  • Convallaria majalis
  • Maiblume, Maililie, Marienglöckchen, Marienblume
  • (Fam. Convallariaceae bzw. Liliaceae, Liliengewächse)
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Kräuterbeschreibung

Blätter und Blütenstengel des 15–20 cm hohen Maiglöckchens wachsen unmittelbar aus einem waagrecht kriechenden, verzweigten Wurzelstock, der bis zu einem halben Meter tief in den Boden reichen kann. Zwei der dunkelgrünen, lanzettlich-zugespitzten, glattrandigen und parallelnervigen, unterseits glänzenden Blätter (etwa 10 cm lang, 5 cm breit) bilden an der Basis eine Blattscheide, die zur Blütezeit (Mai/Juni) den unbeblätterten Blütenstengel umschließt. Die 5–13 weißen, glockenförmigen Blüten mit 6-zipfeligem Rand und wohlriechendem, charakteristischem „Maiglöckchenduft“ stehen endständig und bilden eine einseitswendige Traube. Sie entwickeln sich im Juli/August zu roten, erbsengroßen Beeren, die jeweils 3–6 Samen enthalten.
Pharmazeutisch wird neben Convallaria majalis auch das japanische Maiglöckchen (C. kreiskei) verwendet.

Verwandte Kräuter

Das Maiglöckchen wurde früher in der Ord. Liliales zu den Liliaceae gezählt und ist heute in einer eigenen Familie in der Ord. Asparagales eingeordnet. Weitere Gattungen sind einheimische Waldpflanzen wie Weißwurz (Polygonatum) und Schattenblümchen (Maianthemum). Unter den verwandten Familien der Ord. Asparagales befinden sich viele Nutz- und Heilpflanzen, z. B. Spargel (Asparagus), Zwiebel und Lauch (Allium) sowie Zier- und Gartenpflanzen, z. B. Osterglocke (Narcissus), Traubenhyazinthe (Muscari), Schneeglöckchen (Galanthus) oder Taglilie (Hemerocallis).
Pflanzen mit herzwirksamen Steroidglykosiden aus anderen Familien sind z. B. der einheimische Fingerhut (Digitalis sp., Fam. Scrophulariaceae, Rachenblütler) und Strophanthus-Arten (Fam. Apocynaceae, Hundsgiftgewächse), deren Samen in Westafrika zur Herstellung von Pfeilgift dienen.

Vorkommen

Herkunft und Verbreitung

Convallaria majalis ist einheimisch in Mittel- und Nordeuropa (im Süden nur in höheren Gebirgslagen) bis Sibirien und wurde in Nordamerika eingeführt. Es kommt verbreitet bis häufig vor und steht in einigen Ländern unter Naturschutz. Eine sehr ähnliche Art wächst in Japan (C. kreiskei).

Standort

Typische Standorte befinden sich im Halbschatten lichter Laubwälder (besonders Buchen- und Eichen-Hainbuchenwälder) und Gebüsche mit mäßig trockenen bis frischen, lockeren und etwas stickstoffreichen, kalkhaltigen Böden. In Gebirgs-Hochgrasfluren ist das Maiglöckchen bis in 1.900 m Höhe anzutreffen (subalpin).

Kultivierung

Größere Mengen an Maiglöckchen wurden früher vor allem zur wirtschaftlichen Gewinnung von Duftstoffen, aber auch für Heilzwecke benötigt. Die Pflanzen stammten überwiegend aus dem Freiland und aus besonderem Anbau (Gewinnung von „Keimen“ für die Treiberei, z. B. bei Hamburg, Lübeck und Wittenberg). Der Bedarf ist heute gering, denn Maiglöckchenduft wird überwiegend synthetisch hergestellt und die pharmazeutische Bedeutung ist zurückgegangen.
Kultiviert wird das Maiglöckchen vor allem als Gartenzierpflanze. Die im Handel erhältlichen Züchtungen besitzen eine größere Blütenzahl und breitere Blätter als die Wildform.

Brauchtum

In der Antike wird das (im Mittelmeergebiet fehlende) Maiglöckchen nicht erwähnt. Die Germanen sollen es der Frühlingsgöttin Ostara (Eostra) gewidmet und auf Gräber gepflanzt haben, um die Braut oder Witwe eines gefallenen Kriegers zu trösten. Im Mittelalter verwendete man es in der Volksheilkunde außer zur Stärkung von Herz, Hirn und Leber auch bei Wassersucht und Wehenschwäche sowie zur Linderung der damals nicht klar abzugrenzenden Symptome von Schlaganfall, Fallsucht (Epilepsie) und Lähmungen (Blüten in Wein: „Aqua apoplectica Hartmani“). Nach Leonhard Fuchs (Kräuterbuch von 1543) sollte das Maiglöckchen außerdem gegen Zahnweh, Augenkrankheiten und Geschwülste helfen. Der Saft diente jungen Mädchen als Mittel gegen Sommersprossen. Weil man glaubte, durch Niesen werde Schleim mit schädlichen Stoffen ausgeschieden und das Gehirn gereinigt, fügte man getrocknete und zu Pulver zerriebene – Niesreiz verursachende – Maiglöckchenblüten oder –stiele dem Schnupftabak hinzu („Schneeberger Schnupftabak“). In der christlichen Symbolik steht das Maiglöckchen für Heil und Liebe und soll nach einer Legende aus den Tränen der Maria entstanden sein (Namen „Marienglöckchen“, „Marienblume“). Als glückverheißendes Liebessymbol (grün = Hoffnung, weiß = Reinheit) wird es gerne in Brautsträußen verwendet.
Die digitalis-ähnliche Wirkung erkannte man erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Wissenswertes

<p style=“text-align: justify;“><a href=“http://www.kraeuterabc.de/wp-content/uploads/Convallaria_Gruppe_400.jpg“ target=“_blank“ rel=“noopener“><img class=“alignleft“ style=“margin-right: 25px; margin-bottom: 10px;“ src=“http://www.kraeuterabc.de/wp-content/uploads/Convallaria_Gruppe_400.jpg“ width=“200“ height=“200″ /></a>Den Gattungsnamen hat Linné vielleicht in Anlehnung an Hieronymus Bock (1498–1554) gewählt, der die Pflanze in seinem Kräuterbuch als „lilium convallium“ (von lat. „convallis“, Talgrund) bezeichnete und gegen Schwindel, Augenleiden und Fallsucht empfahl. Die auch in der Bibel (Hoheslied 2,1) „Lilie der Täler“ genannte Pflanze soll nach den meisten Kräuterbüchern dem englischsprachigen Artnamen des Maiglöckchens („Lily of the valley“) entsprechen. Seine Verbreitung und die in der Bibel genannten Standorte (Steppe, Täler) stehen dem jedoch entgegen. Auch aufgrund einer zweiten Textstelle (von „Havatzeleth“; Jesaja 35, 1–2) ist stattdessen anzunehmen, daß in der Bibel nicht das Maiglöckchen, sondern die „Weiße Lilie“ (Lilium candidum) gemeint ist, welche im Heiligen Land sehr weit verbreitet war.
Der Artname majalis kommt von lat. „majus“ (Mai) und bezieht sich auf den Monat der Blüte.

Eigenschaften

Wesentliche Inhaltsstoffe

Maiglöckchenkraut von Convallaria majalis enthält 0,1–0,7 % (von C. kreiskei bis zu 1 %) herzwirksame Steroidglykoside, von denen etwa 40 identifiziert wurden. Vorkommen und Menge sind je nach Herkunft der Pflanzen unterschiedlich, z. B. überwiegend Convallatoxin (Hauptwirkstoff) in West-, Mittel- und Nordwesteuropa, Convallatoxol in Mitteleuropa oder Convallosid in Nord- und Osteuropa. Wirksame Inhaltsstoffe sind weiterhin Flavonoide (u. a. Apigenin, Kämpferol, Quercetin und ihre Glykoside), Steroidsaponine (u. a. Convallarin), Chelidonsäure, die toxische nichtproteinogene Aminosäure Azetidin-2-carbonsäure, etwas Harz und ätherisches Öl.
Maiglöckchenblüten unterscheiden sich u. a. durch einen höheren Anteil an ätherischem Öl (0,06 %, mit Farnesol) und Convallarin.

Eigenschaften, Wirkungen

Herzwirksame Steroidglykoside wirken in niedrigen Dosen herzkräftigend (kardiotonisch) und -stabilisierend, in höheren Dosen dagegen toxisch. Die Giftwirkung beruht auf einer dauerhaften Erhöhung des Herztonus mit Verringerung der diastolischen Erschlaffung sowie Störungen des Herzrhythmus bis zum Herzstillstand.
Weitere Wirkungen niedriger Dosen sind die Senkung eines gesteigerten linksventrikulären enddiastolischen Drucks und krankhaft erhöhten Venendrucks, Venenstärkung und erhöhte Harnausscheidung (diuretisch, natriuretisch, kaliuretisch).

Forschung

Maiglöckchen-Geruch veranlaßt menschliche Spermien, schneller zu ihrem Ziel zu schwimmen (H. Hatt & M. Spehr, Ruhr-Univ. Bochum). Gefunden wurde außerdem ein Duftstoff, der als kompetitiver Blocker wirkt und Spermien am Erreichen der Eizelle hindern könnte. In weiteren Forschungen über Maiglöckchen-Duftstoffe sollen neue Möglichkeiten einer hormonfreien Empfängnisverhütung wie auch der künstlichen Befruchtung erkundet werden.

Warnhinweise

Sämtliche Pflanzenteile sind sehr giftig, ganz besonders die Blüten, Samen und jungen Blätter. Durch den Genuß von einzelnen Beeren kommt es eher selten zu Vergiftungen, weil die herzwirksamen Glykoside im Verdauungstrakt nur schlecht resorbiert werden. Als gefährdet gelten vor allem Kinder (1 bis 5 Beeren); bei größerer Anzahl sollte auch von Erwachsenen ein Arzt aufgesucht werden. Todesfälle gibt es immer wieder durch Verwechslung von Blättern des Maiglöckchens und Bärlauchs (Allium ursinum), der an ähnlichen Standorten vorkommt und als Salat- und Gemüsepflanze gesammelt und gegessen wird (die Blätter des Bärlauchs sind oberseits und die des Maiglöckchens unterseits glänzend; Bärlauch hat einen dreikantigen Stengel und riecht nach Knoblauch).

Anfangssymptome einer Vergiftung sind Übelkeit, Schwindel, Durchfall, Erbrechen, Harndrang, Herzrhythmusstörungen, rascher Puls und hoher Blutdruck. Nach Berühren der Pflanze können Haut- und Augenreizungen auftreten.
Übelkeit, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen gelten auch als mögliche Nebenwirkungen der Droge. Keine Anwendung bei Störungen im Elektrolythaushalt (besonders bei Kalium-Mangelzuständen und zu hohem Calciumspiegel), bei einer Therapie mit Digitalis-Glykosiden, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern. Eine Wirkungs- und Nebenwirkungssteigerung erfolgt bei gleichzeitiger Gabe von Chinidin, Calcium, Saluretika, Laxantien und bei einer Langzeittherapie mit Glukokortikoiden (nach Kommission E).

Anwendung

Anwendungsgebiet

Arzneidroge: Convallariae herba (Maiglöckchenkraut)

Anwendung zur Erhöhung der Kontraktionskraft des Herzens bei leichter Belastungsschwäche (Herzinsuffizienz mit NYHA-Stadium II: Beschwerden bei stärkerer körperlicher Belastung; nicht bei chonischer Herzinsuffizienz) sowie bei Altersherz und Formveränderungen des Herzens nach Erkrankung der Lunge (Cor pulmonale, Rechtsherzhypertrophie).
Die Droge wird im Vergleich zu ähnlich wirkenden Digitalis- bzw. Strophantin-Präparaten nur noch selten verwendet. Von Vorteil ist sie in besonderen Fällen, z. B. wenn Digitalis nicht gegeben werden kann und bei Herzinsuffizienz aufgrund verlangsamter Herztätigkeit. Grund ist die unmittelbare Wirkung am Herzmuskel und der fehlende Einfluß auf das Reizleitungssystem; zudem erfolgt der Abbau schneller und es kommt zu keiner Anreicherung.
Convallariae flos (Maiglöckchenblüten) und Convallariae radix/rhizoma (Maiglöckchenwurzel) werden kaum mehr verwendet (Anwendungsgebiete wie bei Maiglöckchenkraut).

Anwendungsart

„Maiglöckchenkraut“ besteht aus den zur Blütezeit gesammelten und getrockneten oberirdischen Pflanzenteilen von Convallaria majalis oder C. kreiskei und Zubereitungen in wirksamer Dosierung; „Maiglöckchenblüten“ sind die getrockneten Blüten; „Maiglöckenwurzel“ ist der getrocknete Maiglöckchen-Wurzelstock mit den Wurzeln.
Verwendet wird die zerkleinerte Droge und galenische Zubereitungen zur inneren Anwendung. Die mittlere Tagesdosis beträgt 0,6 g eingestelltes Maiglöckchenpulver, Zubereitungen entsprechend. Keine Selbstmedikation! Normierte (auf Convallatoxin eingestellte) Fertigarzneimittel sind in Apotheken erhältlich und der Dosierungsanweisung entsprechend einzunehmen.

Für die Zubereitung des Homöopathikums „Convallaria majalis” nimmt man die frische, blühende Pflanze; Verwendung vor allem bei nervösen Herzstörungen und Herzschwäche.

Produkte

Tee

Von der (früher üblichen) Verwendung des Maiglöckchenkrauts als Tee zur Blutreinigung und Entwässerung ist wegen der Giftigkeit der Pflanze abzuraten.

Kosmetik

Der Duft des Maiglöckchens wird in Parfüms, Cremes und anderen Kosmetikartikeln geschätzt (Duftstoff: Muguet Butaflor). Man gewinnt ihn durch Extraktion der Blüten mit Butan (Verwendung in Luxus-Parfüms), zumeist jedoch synthetisch aus chemisch einheitlichen Riechstoffen, z. B. Hydroxycitronellol, Linalool und Farnesol. Maiglöckchendüfte sind in der Regel Kompositionen aus ätherischen Ölen mit Riechstoffen.

Tipps

Als Schnittblumen halten sich Maiglöckchen nur etwa 4–6 Tage. Für die Vase kein kaltes, sondern lauwarmes Wasser verwenden. Die Giftkonzentration in dem für Maiglöckchen verwendeten Blumenwasser ist entgegen einer weitverbreiteten Volksmeinung gering.

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Letzte Änderung: 3. Januar 2021
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (Dez. 2021)

Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2021): Maiglöckchen (Convallaria majalis) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).


BILDNACHWEISE UND ZITIERTE LITERATUR

Bildnachweise

• Verbreitungskarte Convallaria majalis: Euro+Med PlantBase Project. Botanical Museum, Helsinki, Finland 2018; Data from BGBM Berlin-Dahlem, Germany. Source: World Checklist of Selected Plant Families (2010), © The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew;

alle weiteren Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg

Zitierte Literatur

→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)