Die Berberitze ist ein sommergrüner, bis 3 m hoher Strauch mit rutenförmigen Zweigen. Seine Langtriebe tragen anstelle der Blätter 1–2 cm lange, meist dreizählige Dornen. In den Achseln der Dornen stehen Kurztriebe mit rosettig angeordneten, länglich-eiförmigen Blättern. Die gelben Blüten mit 6 gelbroten Staubblättern (mit klappig aufspringenden Staubbeuteln) entwickeln sich in den Blattachseln und hängen im Mai/Juni in kleinen, ca. 5 cm langen Trauben herab. Nach der Bestäubung durch Insekten (der Pollen wird bei Berührung der druckempfindlichen Staubbeutel an das nektarsuchende Insekt geschlagen) entwickeln sich bis September/Oktober leuchtend rote, tonnen- oder walzenförmige Beeren (ca. 5 mm lang mit 2–3 Samen). Sie werden von verschiedenen Tieren gefressen (Verdauungsverbreitung).
Die Sauerdorngewächse umfassen 4 Gattungen mit 575 Arten, überwiegend Sträucher und wenige Kräuter. Berberis vulgaris ist die einzige einheimische Berberitze und hat weiche, im Winter abfallende Blätter.
Unmittelbar verwandt ist die in Nordamerika beheimatete, in Europa eingeführte und hier als immergrüner Gartenzierstrauch beliebte Mahonie (Mahonia aquifolium syn. Berberis aquifolium). Rinde und Wurzeln gelten in der traditionellen Medizin der Indianer u. a. als Mittel gegen Verdauungsstörungen und Hautausschläge. Wie die Berberitze enthält sie den Wirkstoff Berberin und ist bei uns als homöopathisches Mittel gegen trockene Hautausschläge (z. B. Schuppenflechte), Leber- und Galleleiden gebräuchlich. Gekocht sind ihre reifen Früchte für Kompott und Marmelade verwendbar (roh gelten sie als schwach giftig).
Eine weitere Heil- und Zierpflanze aus dieser Familie ist das nordamerikanische Fußblatt (Podophyllum peltatum). Der Wurzelstock bildet beim Trocknen ein Harz mit einem starken Mitosegift (Podophyllotoxin).
Heimat der Berberitze ist fast ganz Europa (im Nordwesten seltener, im Süden häufiger), Mittelasien und Kleinasien bis Pakistan; in Nordamerika wurde sie eingeführt. Das ehemals natürliche Verbreitungsgebiet ist kaum zu rekonstruieren, weil die Pflanze schon seit Jahrhunderten einerseits kultiviert und angepflanzt, andererseits im Freiland – als Zwischenwirt eines Getreidepilzes – nahezu ausgerottet wurde.
Die Berberitze bevorzugt stickstoffarme, frische Standorte mit tiefgründigen, möglichst kalkhaltigen Böden (besonders Lehmböden). Man findet sie an sommerwarmen Stellen in Hecken, im Gebüsch, auf Magerrasen, in Auen, an Waldrändern und in lichten Eichen- oder Kiefer-Wäldern (Licht- bis Halbschattenpflanze) von der Ebene bis in 1.750 m Höhe.
Natürliche Standorte gibt es nur noch selten (z. B. in den Kalkgebieten Süddeutschlands). Die meisten Vorkommen sind auf ehemalige Anpflanzung oder Ausbreitung von Kulturformen zurückzuführen (vor allem im Norden des Verbreitungsgebiets). In einigen Ländern und Regionen wird sie daher als „stark gefährdet“ eingestuft.
Das Material für Drogen kommt aus Wildbeständen in Mittel- und Südeuropa, teilweise auch aus Westasien und den USA. Die Rinde wird zumeist im Frühjahr oder Herbst und die Wurzel im Spätherbst geerntet.
Im Handel ist der beliebte Gartenstrauch in zahlreichen Zuchtformen erhältlich, z. B. als rotblättrige Berberis vulgaris „Atropurpurea“, bei der rote Farbstoffe (Anthocyane) das Grün des Chlorophylls überlagern, oder die ebenfalls laubabwerfende B. thunbergii. Häufig kultivierte nicht-europäische Arten, die im Unterschied zu B. vulgaris auch im Winter grün bleiben und eher ledrige Blätter besitzen, sind z. B. B. julianae, großblättrig mit blauen Beeren, die Ilex-artige B. verruculosa sowie die Zwergberberitzen B. buxifolia und B. candidula. Die Vermehrung erfolgt durch Stecklinge.
Über die Verwendung der Berberitze in der Antike ist wenig bekannt. Im Mittelalter nutzte man vor allem die Früchte. Der saure Beerensaft ließ sich wie Essig verwenden (Name: „Essigbeere“) und diente der armen Bevölkerung als Ersatz für Zitronen. Medizinisch galt die gelbe Wurzelrinde als wirksam bei Leber- und Gallekrankheiten (nach der Signaturenlehre: gelb gegen Gelbsucht) sowie als Nierenmittel. Das Holz in Wein oder Wasser gekocht ergab ein Mundwasser, das auch gegen Zahnschmerzen helfen sollte.
Der dornige Strauch mit den sauren Früchten gab Anlaß zu allerlei Aberglauben. Nach einer Bauernweisheit sollen dicke und kurze Früchte auf einen harten und kurzen Winter, schmale und lange dagegen auf einen milden und langen Winter hinweisen.
Das dichte und harte Holz ist für Intarsien und Drechslerarbeiten geeignet. Der Hauptwirkstoff Berberin (besonders in Holz und Wurzel) dient noch heute zum Gelbfärben von Wolle, Baumwolle, Seide, Leder und Holz.
Der Ursprung des Gattungsnamens „Berberis“ ist unklar. Er könnte aus der arabischen Sprache stammen („Muschel“) und sich auf die muschelartigen Blätter beziehen. Vermutungen in der Literatur, die Pflanze sei ursprünglich im westlichen Nordafrika, dem Land der „Berber“ beheimatet, ist aufgrund von Standort und Ansprüchen anzuzweifeln. Im Artnamen hat „vulgaris“ die Bedeutung von „gewöhnlich“ oder „weit verbreitet“.
Die Berberitze sollte nicht in der Nähe von Getreidefeldern stehen, denn sie ist Zwischenwirt einer schädlichen Pilzkrankheit (Getreideschwarzrost, Puccinia graminis); erkennbar an orangefarbenen „Äzidien“ (Pusteln) auf der Blatt-Unterseite.
Wirkstoffe der Wurzel und Wurzelrinde sind vor allem 13–15 % Alkaloide: Benzylisochinolinalkaloide mit Berberin (Hauptwirkstoff), Columbamin, Palmatin, Jatrorrhizin, Berberrubin u. a. sowie Bisbenzylisochinolinalkaloide, z. B. Magnoflorin, Oxyacanthin und dessen Isomer Berbamin. Die Alkaloide sind in den verholzten Zellwänden von Wurzel, Ästen, Zweigen und innerer Rinde eingelagert und färben diese zitronengelb (beim Kauen wird auch der Speichel gelb). Weiterhin kommen u. a. Harz und Gerbstoffe vor.
In reifen Früchten und Samen von B. vulgaris befinden sich keine Alkaloide; die Samen von anderen Berberis-Arten können jedoch erhebliche Mengen davon enthalten!
Die sehr sauren Früchte enthalten u. a. Chlorogensäure, Triterpensäuren (z. B. Ursolsäure) und Äpfelsäure, Farbstoffe (z. B. Anthocyane, Carotin) und Vitamine (vor allem Vitamin C).
Der flüssige Gesamtextrakt und einige Alkaloide regen die Leber zur Sekretion von Gallensäuren an, sind blutdrucksenkend und wirken anregend auf die Darmperistaltik.
Berberin könnte ein großes Wirkungsspektrum in Zellen wie auch auf molekularer Ebene aufweisen, doch gibt es bisher lediglich Hinweise, u. a. die Hemmung der Synthese von Nucleinsäuren (DNA, RNA; Träger der Erbanlagen, kodieren Genprodukte) und Proteinen, Veränderung der Durchlässigkeit von Zellmembranen, Hemmung von Acetylcholinesterase (spaltet den Neurotransmitter Acetylcholin, der in Nervenzellen die Erregung weiterleitet) und Adenosintriphosphatase (spaltet ATP unter Freisetzung von Energie; die Hemmung beeinflußt den zellulären Energiehaushalt). Über eine Hemmung der reversen Transkriptase (Enzym zur Umwandlung von RNA in DNA) ist auch eine antivirale Wirkung anzunehmen.
Die Vielfalt der Wirkungen bedingt auch einen weitgehenden Schutz der Pflanze gegen Schädlinge und Parasiten wie Bakterien, Protozoen und Pilze, ebenso gegen Freßfeinde wie Insekten und Wirbeltiere sowie andere Pflanzen als Konkurrenten.
Studien, insbesondere zur Wirkung von Berberin, erfolgten vor allem an Tieren. Es zeigten sich verschiedene pharmakologische Eigenschaften, z. B. Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit von Berberin bei Diabetes Typ 2 (glukoseabsenkende Wirkung), Bluthochdruck (blutdrucksenkend), Fettstoffwechsel-Störung (Hypercholesterinämie / Senkung des LDL-Cholesterins besonders bei Statin-Intoleranz) und nichtalkoholische Fettlebererkrankung (Wei eta al. 2016). Wie aufgrund der (geringen) Toxizität zu erwarten war, wies Berberin auch ein breites Spektrum zytotoxischer Aktivitäten an unterschiedlichsten Krebszellen auf (Cheng et al. 2016), wobei es besonders hier an klinischen Studien mangelt.
Mit Ausnahme der reifen Früchte enthalten alle Teile der Berberitze giftige Alkaloide mit dem Hauptalkaloid Berberin. Bei höheren und hohen Dosen (ab ca. 0,5 g Berberin) wird das Atemzentrum erregt und es kommt zu Atembeschwerden, Benommenheit, Nasenbluten, Haut- und Augenreizungen sowie zu Störungen im Magen-Darm-Bereich (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall). Letale Dosen führten bei Tieren unter Krämpfen zur Atemlähmung.
Berichte über ernste Vergiftungen beim Menschen liegen jedoch nicht vor. Berberin hatte in üblichen Dosen eine geringe Toxizität und zeigte klinische Vorteile ohne größere Nebenwirkungen; vereinzelt traten Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen oder Verstopfung auf (Imenshahidi & Hosseinzadeh 2019).
Vorsicht geboten ist jedoch beim Verzehr von Früchten anderer Berbers-Arten als Berberis vulgaris, weil hier auch die Samen beträchtliche Mengen an Alkaloiden erhalten können.
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a) Arzneidroge: Berberidis fructus (Berberitzenfrüchte).
Anwendung als kreislaufanregendes Mittel, bei Beschwerden und Erkrankungen der Nieren- und Harnwege, des Magen-Darm-Trakts (besonders gegen Verstopfung), der Leber und Milz, bei Bronchialleiden und Krämpfen. Wissenschaftliche Nachweise der Wirksamkeit fehlen.
b) Arzneidrogen: Berberidis cortex (Berberitzenrinde), Berberidis radicis cortex (Berberitzenwurzelrinde) und Berberidis radix (Berberitzenwurzel).
Anwendung in der Opium- und Morphinentwöhnung, bei Beschwerden und Erkrankungen der Nieren- und Harnwege, des Magen-Darm-Trakts, der Atemwege, des Herz-Kreislauf-Systems und bei Gallen- und Leberfunktionsstörungen; außerdem als fiebersenkendes und „blutreinigendes“ Mittel. Wissenschaftliche Nachweise der Wirksamkeit fehlen auch hier.
Verwendet werden verschiedene Teile von Berberis vulgaris und deren Zubereitungen: Früchte und Rinde oberirdischer Teile sowie die unterirdischen Teile Wurzel und Wurzelrinde.
Für therapeutische Gaben ist eine Dosierung bis zu 0,5 g Berberin einzuhalten (Größenordnung: maximal 4 g Droge). Wegen der Vergiftungsgefahr bei falscher Dosierung wird von einer Selbstmedikation abgeraten. Im Handel sind überwiegend Kombinationspräparate erhältlich.
Für homöopathische Zubereitungen aus Berberis vulgaris (nicht zu verwechseln mit der Mahonie: Berberis aquifolium) nimmt man die getrocknete Rinde von Ästen und Wurzeln; „Berberis” ist die getrocknete Wurzelrinde; „Berberis vulgaris e fructibus” besteht aus den frischen und vollreifen Beeren, die von den Fruchtstielen gerebelt wurden. Anwendungsgebiete sind Rheuma und Gicht, Erkrankungen der Leber, Galle, Haut, Nieren- und Harnwege.
Berberitzenfrüchte werden zumeist zu Saft gepreßt und in Getränken verwendet. Nur regional stellt man auch Branntwein und Berberitzenwein her.
Früher wurde Berberitzentee aus den jungen Blättern und der Wurzelrinde gegen Rheuma, Gicht und Arthrose getrunken. Hiervon wird abgeraten, weil die Dosierung falsch sein kann und eine Wirksamkeit nicht nachgewiesen und fraglich ist.
Unbedenklich ist ein Tee aus den ganzen oder zerstoßenen Früchten: 1–2 TL mit ca. 150 ml (1 Tasse) heißes Wasser übergießen und 10–15 Min. ziehen lassen.
Die Früchte lassen sich frisch zu Kompott, Mus, Sirup, Gelee und Marmelade verarbeiten oder auch trocknen.
Rezept für Marmelade: 1 kg reife Beeren aufkochen, mit einem Sieb von den Kernen trennen und das Fruchtfleisch mit 1 kg Zucker (oder Gelierzucker nach Gebrauchsanweisung) nochmals aufkochen. Eine Geschmacksverbesserung erzielt man durch Mischen mit süßer Marmelade anderer Fruchtsorten.
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Letzte Änderung: 3. März 2018
Letzte inhaltliche Änderung/Überprüfung: z. Z. in Arbeit (2021)
Zitierweise:
Pelz, Gerhard Rudi & Birgitt Kraft (2018): Berberitze (Berberis vulgaris) – in: Kräuter-ABC, Website der Stiftung zur internationalen Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Brunnen/Schweiz: www.kraeuterabc.de (abgerufen am ……).
Bildnachweise
alle Fotos und Abbildungen:
© Dr. Gerhard Rudi Pelz, Petersberg
Zitierte Literatur
→ Standardwerke, Lehrbücher und weiterführende Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis (home-Seite oder (http://www.kraeuterabc.de/literatur/)
Chen, W. et al. (2016). Phytomedicine – Modulating oxidative stress and the tumor microenvironment for cancer therapy. – Pharmacological Research 114: 128–143.
Imenshahidi, M. & Hosseinzadeh, H. (2019): Review: Berberine and barberry (Berberis vulgaris): A clinical review. – Phytotherapy Research. 33: 504–523; DOI: 10.1002/ptr.6252.
Wei, X. et al. (2016). The therapeutic e×ect of berberine in the treatment of nonalcoholic fatty liver disease: A meta‐analysis. Evidence‐based Complementary and Alternative Medicine 1–9; doi.org/10.1155/2016/3593951.